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Wissenswertes

Lexikon

Spezialgesetzliche Erlaubnistatbestände

bzw. Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung

Spezialgesetzliche Erlaubnistatbestände kann es überall dort geben, wo bestimmte Verfahren, Vorgänge oder Lebenssachverhalte durch den Gesetzgeber mittels separater Gesetze geregelt werden. Sie sind geeignet, das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt des Art. 5 DSGVO zu durchbrechen. Bei diesen Gesetzen handelt es sich dann, bezogen auf den jeweiligen Lebenssachverhalt, um speziellere Vorschriften, die das allgemeine Bundesdatenschutzgesetz im Wege der sogenannten Gesetzesspezialität verdrängen (Gesetzesspezialität). Besonders häufig sind sie in der datenschutzrechtlichen Praxis jedoch im Zusammenhang mit Beschäftigungsverhältnissen und im Bereich „Telekommunikation“ anzutreffen.

Bei den spezialgesetzlichen Erlaubnistatbeständen lässt sich unterscheiden zwischen spezialgesetzlichen Verpflichtungen, bestimmte Handlungen vorzunehmen oder Verfahren durchzuführen, und entsprechenden Berechtigungen. Während man beim Vorliegen von Verpflichtungen ohne Weiteres davon ausgehen kann, dass diese im Umkehrschluss auch regelmäßig die Berechtigung zugunsten des Verantwortlichen enthalten, die zur Erfüllung der Pflichten erforderlichen personenbezogenen Daten zu verarbeiten, muss bei bloßen Berechtigungen immer geprüft werden, ob sämtliche im Gesetz genannten Anforderungen erfüllt sind. Häufig verlangen diese vom Berechtigten eine Ermessensentscheidung, bei welcher stets auch die schutzwürdigen Interessen des/der Betroffenen zu berücksichtigen sind. Zusätzlich zum Vorhandensein aller Anforderungen des Erlaubnistatbestandes muss die Maßnahme somit immer auch einzelfallbezogen angemessen sein.

Beispiel 1 (spezialgesetzliche Verpflichtung):

Das Mutterschutzgesetz normiert in seinen §§ 3 f. Beschäftigungsverbote für werdende Mütter. Obgleich dieses Gesetz als Schutzgut Leib, Leben und körperliche Unversehrtheit von Mutter und Kind innehat (DSGVO/BDSG, Persönlichkeitsrechte), stellt es einen spezialgesetzlichen Erlaubnistatbestand zugunsten des Arbeitgebers dar. Will dieser seinen aus dem MuschG resultierenden Verpflichtungen nachkommen, muss er das, höchst persönliche, Datum des Vorliegens einer Schwangerschaft bei seiner Mitarbeiterin verarbeiten. Im Umkehrschluss beinhaltet somit die Verpflichtung zu einer bestimmten Handlung oder Unterlassung auch immer die Berechtigung, die hierfür erforderlichen personenbezogenen Daten des Betroffenen zu verarbeiten.

Beispiel 2 (spezialgesetzliche Berechtigung):

§ 1 Abs. 3 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) regelt die soziale Rechtfertigung betriebsbedingter Kündigungen. Dort heißt es: „Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen … gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten sowie die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; …“

Aus dieser Vorschrift folgt keine verbindliche Verpflichtung des Arbeitgebers, Angaben zur Dauer der Betriebszugehörigkeit, des Lebensalters, von Unterhaltspflichten oder Schwerbehinderungen seiner Arbeitnehmer zu speichern. Da ihm jedoch im Streitfall die Beweislast für die ordnungsgemäße Durchführung der Sozialauswahl obliegt, ist der Arbeitgeber jedoch berechtigt, eben diese Angaben im erforderlichen Umfang zu erheben und zu speichern, um ggf. wirksame betriebsbedingte Kündigungen überhaupt vornehmen zu können. Sind jedoch vormals bestehende Unterhaltspflichten wieder entfallen, so besteht kein (weiteres) Bedürfnis mehr, diese Daten im Bestand zu halten. Sie müssten gelöscht werden, da mit Wegfall des Erlaubnistatbestandes die (weitere) Speicherung unzulässig wäre.

Wie bereits oben erwähnt, sind spezialgesetzliche Vorschriften gegenüber solchen der allgemeinen Gesetze und somit dem BDSG vorrangig, sofern die DSGVO als Öffnungsklausel dies zulässt – was Art. 6 Abs. 1 lit. c) in Verbindung mit dem Spezialgesetz jedoch dann darstellen würde. Deshalb sollte in der Praxis eine Fallprüfung hiermit beginnen.