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Wissenswertes

Lexikon

Informationelle Selbstbestimmung

BVerfGE 65, 1 = NJW 1984, 419

Informationelle Selbstbestimmung bedeutet, dass grundsätzlich jeder selbst darüber entscheiden kann, wer seine personenbezogenen Daten zu welchen Zwecken erhalten oder sie weitergeben darf und wem dies untersagt sein soll. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht unmittelbar in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, dem Grundgesetz, verankert. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem bis heute für den Datenschutz maßgeblichen „Volkszählungsurteil“ aus dem Jahre 1983 ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit), Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes, abgeleitet: „Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“

Somit bleibt zunächst Folgendes festzuhalten:

  • Die informationelle Selbstbestimmung ist ein Persönlichkeitsrecht,
  • sie besitzt den Rang eines Grundrechtes,
  • staatlicherseits darf nur in die informationelle Selbstbestimmung eingegriffen werden, wenn ein Gesetz dies legitimiert und der Eingriff insgesamt verhältnismäßig ist.

Grundrechte gelten zunächst nur im Verhältnis zwischen Bürgern und Staat als Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe. In das zivilrechtliche und allgemeine gesellschaftliche Zusammenleben finden sie jedoch Einzug über die vom Gesetzgeber bewusst offen, mit weiten Auslegungsspielräumen versehenen „Generalklauseln“ sowie über die unbestimmten Rechtsbegriffe und deren Auslegung. Ferner können in einzelnen Gesetzen sogenannte Transformationsnormen die Freiheitsrechte des Grundgesetzes unmittelbar auch in zivilrechtlich ausgestaltete Rechtsverhältnisse übertragen. Im Bereich des Beschäftigtendatenschutzes ist § 75 BetrVG eine solche Transformationsnorm.

Zu beachten ist ferner, dass Freiheitsrechte regelmäßig nicht völlig grenzenlos gewährt werden können. Sie finden ihre Grenzen stets dort, wo gleichrangige Rechte Dritter in ihrem Kernbereich beeinträchtigt werden, vgl. Art. 2 Abs. 1 GG.

Auszüge aus dem „Volkszählungsurteil“ des Bundesverfassungsgerichts

(BVerfGE 65, 1 = NJW 1984, S. 419)

Im Jahre 1983 traf das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit dem sogenannten „Volkszählungsurteil“ eine Grundsatzentscheidung, die bis heute den Begriff und den Umfang des Datenschutzes prägt.

Dieser Entscheidung lag das Volkszählungsgesetz zugrunde. Demnach sollte jeder Bürger verpflichtet sein, einem hierfür eingesetzten Erfasser Zutritt in seine Wohnung zu gewähren und einen Fragebogen mit Angaben zu den persönlichen Lebensverhältnissen zu beantworten. Dieser Fragebogen sollte später anonymisiert und ausgewertet werden.

In diesem Zusammenhang hat das BVerfG festgestellt, dass „die freie Entfaltung der Persönlichkeit unter den Bedingungen der modernen Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraussetzt. Dieser Schutz ist daher von dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfasst“.

Ferner hat das BVerfG festgestellt, dass eine unantastbare Sphäre privater Lebensgestaltung besteht. Für diesen Bereich steht den Betroffenen das sogenannte Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu. Demnach ist die Befugnis des Einzelnen zu gewährleisten, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu entscheiden.

Schließlich bestimmt das BVerfG Informationsrechte des Betroffenen: „Wer nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffende Informationen in bestimmten Bereichen seiner sozialen Herkunft bekannt sind, und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen oder zu entscheiden. Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wäre eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen könnten, wer was wann bei welcher Gelegenheit über sie weiß“.

Zu beachten ist, dass die Grundrechte als Abwehrrechte des Bürgers gegen staatliche Eingriffe dienen. Für den privaten Rechtsverkehr gelten sie unmittelbar nicht. Allerdings finden sie bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe Anwendung und erhalten so mittelbare Auswirkung auch im Bereich des reinen Privatrechts. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist heute integraler Bestandteil des Datenschutzrechts und muss stets gewahrt werden.