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Wissenswertes

Lexikon

Erlaubnistatbestand Interessenabwägung/berechtigtes Interesse

Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO

Häufig stellt sich die Frage einer Rückgriffsmöglichkeit auf das berechtigte Interesse gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO. Dieser birgt aufgrund der vielen dort verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe ein nicht unerhebliches Risiko für den Anwender. Ferner muss die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe, ihr Ergebnis und vor allem dessen Begründung in jedem Einzelfall dokumentiert werden, was zumeist einen nicht zu unterschätzenden Aufwand mit sich bringt.

Um zu einer Erlaubnis der Verarbeitung personenbezogener Daten auf der Basis des Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO zu gelangen, bedarf es der Abwägung zwischen den berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten und den entgegenstehenden schutzwürdigen Interessen des Betroffenen. Dabei müssen die berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder des Dritten überwiegen.

Berechtigtes Interesse des Verantwortlichen/Dritten

Der Verantwortliche (Legaldefinition in Art. 4 DSGVO) muss nicht nur ein allgemeines, sondern vielmehr ein berechtigtes Interesse an der Maßnahme haben. Die Beweislast hierfür liegt bei dem Verantwortlichen. Insbesondere der für die Legitimation einer Maßnahme wichtige Begriff des „berechtigten Interesses“ ist dabei eng auszulegen, sodass Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO keinen Auffangtatbestand für alle diejenigen Fälle darstellen kann und soll, die nicht sonst erfasst werden. Ferner müssen die berechtigten Interessen konkret definiert werden können, sodass Datenspeicherungen auf Vorrat für nicht näher definierte Zwecke nicht von der Vorschrift erfasst sind.

Schutzwürdiges Interesse des Betroffenen

Konnte das Bestehen eines berechtigten Interesses des Verantwortlichen bejaht werden, ist dieses mit den womöglich entgegenstehenden schutzwürdigen Interessen des/der Betroffenen abzuwägen. Auch hier ist nicht jedes beliebige Interesse ausreichend, sondern es ist die Schutzbedürftigkeit des Interesses erforderlich. So hat z. B. ein Vandale sicherlich ein Interesse daran, dass die seine Tat beweisende Videoaufzeichnung nicht ausgewertet wird, schutzwürdig ist dieses Interesse jedoch nicht. Behauptet ein Verantwortlicher, dass eine Schutzwürdigkeit nicht vorliegt, trägt er jedoch auch hierfür die Beweislast.

Erforderlichkeit

Die Maßnahme muss erforderlich sein, um das berechtigte Interesse des Verantwortlichen zu wahren. Eine bloße Dienlichkeit im Sinne von hilfreich oder nützlich genügt somit nicht. Ferner darf dem Verantwortlichen kein den Betroffenen weniger belastendes und insgesamt (insbesondere wirtschaftlich) zumutbares Alternativmittel zur Erreichung des Zwecks zur Verfügung stehen. Insofern hat derjenige Verantwortliche, welcher sich auf das berechtigte Interesse stützt, keine freie Wahl der Mittel, durch welche ein legitimes Ziel erreicht werden soll.

Abwägung

Schließlich bedarf es einer Abwägung des berechtigten Interesses des Verantwortlichen mit dem entgegenstehenden schutzwürdigen Interesse des Betroffenen. Im Ergebnis muss das berechtigte Interesse des Verantwortlichen überwiegen, um eine Maßnahme rechtfertigen zu können. Da jede Abwägung sehr stark subjektiv geprägt ist, sollte hier sehr sorgfältig begründet werden, warum das berechtigte Interesse des Verantwortlichen überwiegt und wie stark dieses Überwiegen ausgeprägt ist. In Zweifelsfällen sollte besser zugunsten des Datenschutzes und damit gegen die Maßnahme entschieden werden. Häufig lassen sich die Interessenlagen bei genauem Hinsehen durch gezielte Maßnahmen, wie restriktiveren Zugriffsschutz, Verkürzung von Aufbewahrungsfristen, Einschränkungen bei der geplanten Nutzung oder der Menge der erhobenen Daten, noch zugunsten des Verantwortlichen verschieben.

Ermessen

Die Interessensabwägung eröffnet dem Verantwortlichen regelmäßig aber auch einen Ermessenspielraum, innerhalb dessen er sich selbst positionieren kann. Ermessensentscheidungen sind durch Gerichte und Aufsichtsbehörden nur bedingt überprüfbar.